Kommentar |
Seit ihren Anfängen bemüht sich die Soziologie nicht nur darum, das soziale Leben zu erfassen und zu beschreiben. Es geht ihr vor allem auch darum, aus dem Erfahrenen verallgemeinerbare Aussagen zu gewinnen. Entsprechend ist Soziologie sowohl eine empirische als auch eine theoretische Wissenschaft. Theorien werden zunächst – und das gilt für jede Wissenschaft – durch die Art und Weise einen Gegenstand zu benennen bestimmt. So gesehen ist jeder verallgemeinerbare Begriff theoretisch. Theorien im engeren sozialwissenschaftlichen Sinn werden dagegen als Aussagensysteme verstanden, innerhalb derer Begriffe aufeinander bezogen und damit umfassende soziale Ordnungsmuster erkennbar werden. Man könnte so weit gehen, diese theoretisch fundierten Muster oder Strukturen als Elemente dessen zu begreifen, was gemeinhin als Gesellschaft bezeichnet wird. Dabei gerät bisweilen aus dem Blick, dass sich im Laufe der Zeit sowohl die Begriffsbedeutungen als auch die von den Wissenschaften behandelten Gegenstände ändern. Theorien, die wir heute als ‚klassisch‘ begreifen, sind in einem anderen historischen Kontext entstanden und antworten – zumindest teilweise – auf Probleme, die heutzutage nicht mehr vordinglich sind.
Die hier angebotene Vorlesung über soziologische Theorien versucht, diesem Problem gerecht zu werden. Sie geht aus von gesellschaftlichen Problemen der jüngeren Zeit, sucht nach geeigneten soziologischen Theorieangeboten und analysiert diese ausgewählten Perspektiven dann hinsichtlich ihrer ‚Wurzeln‘ beziehungsweise ihrer ‚Herkunft‘. Man erhält auf diese Weise einen ungewöhnlichen, aber keinesfalls ‚angestaubten‘ Einblick in sozialwissenschaftliche Theoriebildung. |