Einführung in die Themen des Seminars
In nahezu allen, im weitesten Sinne pädagogischen Situationen spielt die Möglichkeit/die Option/die Gefahr eine Rolle, dass der Vermittelnde gegenüber dem "Schüler" oder "Informationsnehmenden" unabsichtlich das Gefühl bzw. das Verhalten eines Widerstandes auslöst. Das Gefühl der Reaktanz, ein Konzept aus der Sozialpsychologie, ist hierbei in einer zentralen Erklärungsfunktion zu sehen.
Mit anderen Worten: in unserem Seminar wird die Grundsituation eines jederzeit möglichen Konflikts zwischen Eltern und Kindern bzw. Lehrendem und Schüler/Lernendem im Focus stehen.
Dies gilt besonders dann, wenn der "Informationsnehmende" (Schüler, Teilnehmer eines Volkshochschulkurses u.a.) kurzfristig zu einer bestimmten Handlung aufgefordert wird, die er nicht durchführen will (z.B. nicht mehr weiter den Unterricht zu stören oder eine bestimmte Hausaufgabe zu machen). In diesem Zusammenhang werden insbesondere verhaltenstherapeutische Möglichkeiten zur Vermeidung oder Überwindung von Reaktanz und Widerstand betrachtet.
Aber auch inhaltlich kann Reaktanz jederzeit zwischen einem Informationsnehmenden und Lehrenden aufkommen (dies gilt besonders für Jugendliche und Erwachsene), wenn der Informationsnehmende den Eindruck hat, ihm werde eine Meinung aufgenötigt und somit seine Denkfreiheit eingeschränkt.
Dieses Gefühl führt zu einer Art Widerstand bei dem Informationsnehmenden und somit im schlimmsten Fall zu einer schwerwiegenden Störung der Aufnahme und Verarbeitung der Information bis hin zu der Störung des Unterrichts oder gar einem dauerhaften Wegbleiben des Informationsnehmenden vom Unterricht. Der Begriff "Unterricht" ist hier in sehr allgemeiner Bedeutung gewählt: es kann sich, wie oben schon angedeutet, um den traditionellen Schulunterricht handeln, es kann sich aber auch um Erwachsenenbildung (z.B. Volkshochschule) bis hin zu Kursen zum Wiedererwerb des Führerscheins handeln. Eigentlich ist jede Situation gemeint, in der ein Nehmer von Information mehr oder minder freiwillig einem anderen Menschen längere Zeit zuhört oder zusieht, um im weitesten Sinne etwas zu lernen.
Neben dem Begriff der Reaktanz sind auch weitere Konzepte erforderlich, um Konflikte bei Erziehung und Lehrsituationen wissenschaftlich zu analysieren. Hierbei sind u.a. Konzepte wie "Gehorsam" und "Ungehorsam", Selbstwertgefühl etc. zu nennen.
Ein Hauptziel dieses Seminars besteht in der Erarbeitung dessen, was ein Erziehender bzw. Lehrender im Vorfeld tun kann, um den oben beschriebenen Widerstand zu minimieren bzw. mit diesem Widerstand, wenn er aufgetreten ist, produktiv umzugehen. Eine langfristig wichtige Methode zum Verhindern von Widerstand und Reaktanz ist die Schaffung von intrinsischer Motivation.
Wenn der zeitliche Rahmen es möglich macht, soll aber auch auf eine mögliche Reaktanz bzw. "innere Kündigung", die in der ArbeitsUNzufriedenheit des Lehrenden begründet sein kann, eingegangen werden. Somit wäre die generelle Frage, wie man sich als Lehrer im heutigen Bildungssystem behaupten und selbstmotivieren kann, angeschnitten.
Zu Beginn des Seminars wird ein Basiswissen über Lernpsychologie bzw. Verhaltenstherapie sowie sozialpsychologische Konzepte zur Attribution von Erfolg und Misserfolg vermittelt und eingeübt, so dass die folgende Behandlung und Diskussion der Seminarthemen in einer durch psychologische Grundlagenfächer präzisierten Sprache erfolgen kann.
PS: Selbstverständlich ist mit Reaktanz nicht gemeint, dass ein Informationsnehmer aufgrund von konstruktiver Kritik dem Lehrenden widerspricht und daher die Meinung des Lehrenden nicht übernimmt. |